Wie wahrscheinlich jeder aus Mystic Rosewood hatte auch ich von dem Stadtfest gehört, welches gestern im Zentrum aufgebaut worden war. Obwohl ich eigentlich kein sonderlich großer Fan von solchen Veranstaltungen war, beschloss ich, trotzdem dorthin zu gehen. Zum einen konnte ich somit meiner Familie aus dem Weg gehen, zum Anderen traf ich meine Freunde, mit denen ich ausgemacht hatte, dass wir uns im Hauptzelt trafen, welches rund um das Rathaus aufgebaut war.
Nachdem ich einen Fußmarsch von 5 Minuten hinter mich gebracht hatte, befand ich mich vor dem Festgelände. Schon jetzt drang Lärm und lautes Gelächter an meine Ohren, noch dazu stieg mir der eklige Geruch von Alkohol und Zuckerwatte in die Nase. Angewidert verzog ich mein Gesicht, bevor ich wieder meine freundliche Maske aufsetzte und ein Lächeln sich auf meinen Lippen bildete, als einige Teenager an mir vorbeigingen und meinen Namen brüllten.
Schließlich setzte ich meinen Weg zum Hauptzelt fort, schlängelte mich durch die Masse, darauf bedacht, nichts auf mein Outfit zu bekommen. Als ich mich schlussendlich im überfüllten Zelt befand, musste ich genervt feststellen, dass sich noch keiner meiner Freunde hier eingefunden hatte. Ich stellte mich etwas abseits von den Menschen und holte mein Handy aus meinem kleinen Täschchen heraus, nur um festzustellen, dass ich pünktlich da war und ich keine Nachricht bekommen hatte, in der sich irgendeiner meiner Freunde entschuldigte, dass sie zu spät kamen. Seufzend ließ ich das Handy wieder verschwinden, der Weile mein Blick über die Masse schweifte und ich ab und zu jemanden begrüßte, den ich kannte.

Nach einigen Minuten, in denen ich noch nichts von meinen Freunden gesehen oder gehört hatte, stand plötzlich Samira mit einem Bier in der Hand vor mir. Wir Beide hatten uns in einer Bar kennengelernt, wo sie als Kellnerin arbeitete. Obwohl sie fast 8 Jahre älter war als ich, verstanden wir uns ausgesprochen gut.
Schnell musterte ich sie. Wie so oft, wenn wir uns sahen, trug sie ein kurzes Kleid und High Heels. Schon ohne die Schuhe war sie größer als ich, mit ihnen fühlte ich mich noch kleiner als sonst. Das Kleid ging ihr knapp über den Po und ich wusste, ich würde mir nicht getrauen, so gewagt rumzulaufen. Ich kleidete mich gerne Figur betonend, so war es nicht, jedoch fand ich ihren Style etwas nuttig. Die Männer mussten sich gar nicht vorstellen, wie sie unter den Klamotten aussah, da sie eh schon alles sahen.
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, sie sind noch nicht da. Wäre ja auch ein Wunder, wenn irgendjemand jemals pünktlich kommen würde." meinte ich und verdrehte die Augen. Eigentlich lag es nur an meiner Familie, dass ich so gut wie immer pünktlich war. Ich wollte immer schnellst möglich von Zuhause weg, wodurch ich niemals die zeit vergaß und dadurch auch nicht zu spät kam. Bei meinen Freunden war es anders.
"Wahrscheinlich eine Cola." Ich zuckte mit den Schultern. Abgesehen davon, dass ich noch nichts Härteres als Bier trinken durfte, hasste ich einfach den Geschmack von Alkohol. Zwei Mal hatte ich mit meinen Freunden aus der Klassenstufe irgend so ein alkoholisches Getränk getrunken, was jemand im Keller gefunden hatte. Bei Beiden Malen hatte ich mich übergeben, nicht sehr schön.

Ich lächelte sie an. Das stimmte. Es gab kaum jemanden aus meinem Freundeskreis, der sich so ein Event entgehen ließ. Mystic Rosewood war eine Kleinstadt, hier passierte einfach zu wenig, wodurch so ein Fest schon eine echt Attraktion für uns war. Und wie gesagt, eigentlich sollte ich mich nicht wundern, dass sie zu spät kamen. Das war bei denen immer so, selbst in der Schulzeit. Vielleicht sind sie auch irgendwo anders im Zelt. Wir haben uns schon öfters irgendetwas ausgemacht, haben jedoch an verschiedenen Stellen gewartet.
Schließlich wurde ich von Samira zur Theke gezogen, wo sie mir sogleich eine Coke bestellte. Mich würde es interessieren, wenn ich es denn ausprobieren würde, ob die mir auch etwas Alkoholisches geben würden. Aber es wäre sinnlos und nur rausgeschmissenes Geld bei mir, da ich es eh nicht trinken würde.
"Danke!" sagte ich zu ihr und nahm das Glas, welches der Barkeeper vor mich hingestellt hatte, in die Hand, um einen Schluck daraus zu nehmen. Nochmals ließ ich meinen Blick durch die Menge schweifen, in der Hoffnung, jemanden aus meinem Freundeskreis zu entdecken, bevor ich mich an meine ältere Freundin wand.
"Wir haben uns ja etwas länger nicht mehr gesehen. Was ist bei dir so passiert?" fragte ich sie lächelnd. Es war schwierig, immer auf dem neusten Stand zu bleiben, wenn nicht alle Freunde auf die High School gingen.

Langsam nickte ich, als ich ihr Angebot hörte. Obwohl ich kein Problem damit hatte, Zeit mit ihr alleine zu verbringen, hätte ich gerne auch noch meine Freunde aus der High School gesehen. Bei so einem Fest entstanden immer wieder bei uns peinliche Erlebnisse, die uns noch näher zusammenrückten. "Das wäre gut." meinte ich dann und lächelte sie an.
Eine Zeit lang standen wir an der Theke, immer mal wieder nahm ich einen Schluck von meinem Getränk und beobachtete Samira dabei, wie sie den Alkohol so locker hinter bekam. Schon allein bei dem Gedanken an den Geschmack von Alkohol wurde mir übel.
Ich kannte viele, die sich mit im Zelt befanden. Das ist der Vorteil und Nachteil an einer Kleinstadt. Man kannte so gut wie jeden. Die meisten kannten mich ebenfalls. Einige angetrunkene Jugendliche brüllten meinen Namen, als sie an mir vorbeikamen, andere lächelten mich einfach nur an und ich tat es ihnen gleich. Mit den meisten Jugendlichen, die nicht zu meinen Freundeskreis gehörten, konnte ich nicht viel anfangen. Ich wusste nicht, was ich mit ihnen reden sollte und um ehrlich zu sein, wollte ich auch mit den meisten nicht reden. Trotzdem versuchte ich meine freundliche Fassade in der Öffentlichkeit beizubehalten. Meistens jedenfalls.
Ich nickte und lächelte sie, mal wieder, an, bevor ich mit den Schultern zuckte. "Das Übliche." gab ich knapp von mir. Mein Vater machte immer mehr Überstunden und wurde dadurch immer gestresster. Meine Mutter langweilte sich und bekam immer mehr zu spüren, wie sehr ihr Mann unglücklich war. Also alles wie immer. Aber ich erzählte niemanden davon. "Schule ist relativ anstrengend, aber naja. Ich hab ja nur noch dieses und dann das darauffolgende Jahr." meinte ich. Ich freute mich riesig auf meinen Abschluss, denn danach würde ich endlich abhauen.